Mittel der Mission

Wir gehen von der Voraussetzung aus, dass Sie persönlich von Christus ergriffen sind und dass er Ihr Herr ist. Wenn Sie nicht Diener Christi wären, hätten Sie seinen Befehl zur Verkündigung des Evangeliums nicht gehört und würden sich kaum für das interessieren, was hier vielleicht noch zu sagen ist. Nun aber ist es Ihr Wunsch, gehorsam zu sein und nach seinem Wohlgefallen zu leben. Sie wissen sicher, dass das nicht leicht ist. Wir leben aus dem Glauben und nicht aus dem, was wir sehen. Auf welche Weise sollen wir den Befehl Christi ausführen? Wenn wir darüber vollständig im Klaren sein könnten, dann wäre das gehorsame Handeln in der Nachfolge kein Wandeln im Glauben mehr. Sie könnten einfach Ihren Verstand einsetzen, ohne immer wieder die Weisung Christi zu erbitten. Aber so ist es nicht. Sie wenden sich täglich an ihn in der Hoffnung, eine deutlichere Vorstellung von seinem Willen zu bekommen. Ihr Glaube macht Sie von Ihrem Herrn abhängig. Dabei befindet sich der Mensch jedoch ständig im Kampf gegen die Sünde, dass er seinen Wandel und seine Arbeit aus dem, was er sehen kann, ableiten möchte, nicht aus dem Glauben. Die Arbeit, die wir tun, muss doch jedenfalls sinnvoll sein, so dass andere Leute nicht sagen können, wir seien verrückt, vom Teufel besessen oder Samariter; das sagten sie auch von unserem Herrn.

 

Wir wissen alle, dass das Evangelium verkündigt werden muss. Da erhebt sich die Frage: Können wir das nicht so sinnvoll machen, dass die Menschen erkennen, dass wir nicht vollständige Trottel sind? Wir suchen nach einer Weise, die die Hörer unserer Botschaft nötigt einzuräumen, dass unsere Botschaft Hand und Fuß hat. Deshalb interessieren wir uns natürlich für die Mittel, die wir in der Mission einsetzen können, um den Muslimen die frohe Botschaft der Offenbarung Christi nahe zu bringen.

 

Die Kirchen sind sich weithin einig darin, dass sie als der Leib Christi die Aufgabe haben, die Welt mit der Offenbarung Gottes zu konfrontieren. Aber bei der Überlegung über die Mittel gibt es ungeheuer viele und voneinander abweichende Antworten. Bei der Überlegung über diese Mittel der Mission setzen wir oft viel zu viele Dinge als selbstverständlich voraus. Wir müssen dreierlei betrachten: Zuerst geht es um das Subjekt, dann um die Mittel, die das Subjekt verwendet, und schließlich um das Objekt, d.h. die Person, die angesprochen, oder das Ziel, das erreicht werden soll. Diese Beziehung gilt beim menschlichen Handeln. Aber nun müssen wir uns klar machen: Wie sieht diese Beziehung in der Mission aus?

 

Natürlich kann das Subjekt, der Handelnde, niemand anders als Gott selber sein. Dieser einfache Ausgangspunkt ist oft vergessen worden. Die Kirche hat immer die Auffassung vertreten, dass der Heilige Geist, wo und wann es Gott gefällt, den Glauben im Menschen weckt, so dass wir an das Evangelium glauben können. Der Mensch versteht Gottes Offenbarung in Christus, obwohl diese bereits geschehen ist, erst dann, wenn er durch den Heiligen Geist die Fähigkeit bekommt, sie zu ergreifen. Die Identität Christi bleibt also ein Geheimnis. Als Christus auf der Erde lebte, war er 'Gott inkognito'. Seine wirkliche Identität war verborgen. Der Verstand der Menschen konnte dies Inkognito nicht durchbrechen. Der Mensch sieht Gott in der Gestalt Christi nur, wenn ihm der Heilige Geist die Augen dafür öffnet. Das bedeutet, dass im letzten Grunde der Handelnde immer Gott selber ist.

 

Wenn Gott nun der Handelnde, das Subjekt der Mission, ist, durch welche Mittel arbeitet er dann? Auch darauf kann es nur eine Antwort geben: Gott hat die Kirche als sein Werkzeug für die Verkündigung der Frohen Botschaft geschaffen. Die Kirche ist das Mittel Gottes. Wenn wir Protestanten unsere Kirche apostolisch nennen, dann denken wir nicht wie die römisch-katholische Kirche an eine mechanische und auf Bischöfe beschränkte apostolische Sukzession. Die Bedeutung des Apostolats liegt in dem Ziel seiner Einsetzung. Christus gab seinen Aposteln den Auftrag, ihn

 

zu bezeugen bis an das Ende der Erde. Dazu waren die Apostel sein Mittel. Der Geist des Apostolats muss von einer Generation auf die andere übergehen bis zum Ende der Zeit. Die Kirche, in der der Geist des Apostolats fehlt, ist keine Kirche. Apostolischer Geist bedeutet in erster Linie, dass man es sich zum Ziel macht, Christus bis an das Ende der Erde zu bezeugen. Dabei ist Gott der Handelnde, die Kirche sein Werkzeug, und das Objekt ist seine Absicht, die Menschheit zu erreichen.

 

Soweit sind wir uns wahrscheinlich einig. Bei der praktischen Arbeit taucht jedoch eine Schwierigkeit auf. In einer solchen Dreierbeziehung sind meistens alle Glieder sichtbar. Ein König mit einer Armee besiegt ein kriegerisches Volk. Ein Mann mit Geld kauft ein Haus. In beiden Fällen sind alle drei Glieder dieser Beziehung sichtbar und konkret. Wenn jedoch Gott das Subjekt wird, dann sind nur zwei der drei Glieder sichtbar: Das Mittel und das Objekt. Ist das Subjekt aber unsichtbar, dann wird das Mittel zu etwas Besonderem, was sich von allen anderen in der Welt bekannten Dingen unterscheidet. Von daher versteht man auch die Torheit im Urteil kluger Männer. Denn niemand lässt sich gern einen Narren schimpfen. Was wir tun, muss doch Hand und Fuß haben. Aber merken Sie, was passiert, wenn wir anfangen, über die Mittel nachzudenken? Wir verlassen unseren rechtmäßigen Platz als Gottes Werkzeug und eignen uns den Platz des Subjekts, des Handelnden, an. Dieser Platzwechsel vollzieht sich fast unbemerkt und ist sehr gefährlich. Das Volk Israel ist ein gutes Beispiel dafür, was bei einem solchen Platzwechsel geschehen kann. Israel war von Gott auserwählt als das Werkzeug, um die ganze Menschheit zu segnen. Gott wollte für alle Gott und König sein. Er war das Subjekt, dies Volk war das Mittel, und die Menschheit war das Objekt. Als der Staat Juda/Israel gefestigt war und sich anschickte, mit den Nachbarn Beziehungen aufzunehmen, glaubten die Israeliten, dass sie in den Augen der Welt töricht erscheinen würden, wenn sie keinen König hätten. So kamen sie vom Wege ab, weil sie vor der Welt vernünftig dastehen wollten; sie verlangten nach einem König. Gott gab ihnen, was sie verlangten. Aber jetzt entstand eine andere Beziehung, bei der Gott aus dem Gesichtsfeld verschwand. So wurde Israel ein Volk wie alle anderen. Das war sein größtes Unglück. Als Gottes Werkzeug hätte es seine besondere Stellung behalten. Nun wurde es wie die anderen Völker, und zwar winzig klein, eingeschlossen und belagert.

 

Zwischen Israel und der Kirche besteht eine Parallele. Wie dort, soll auch bei der Kirche die Dreierbeziehung heißen: Gott - Kirche - Menschheit. Wenn der Kirche aber klar wird, dass sie in den Augen der Welt töricht erscheint, so verschiebt sich das Ganze in Richtung auf eine Beziehung zwischen Kirche - Mittel - Menschheit. Dieser Platzwechsel ist nicht weniger real als im Fall Israels. Die Kirche verhält sich nach dem Urteil kluger Männer vernünftig. Sie kann sich in den Augen der Welt rechtfertigen. Die Nichtchristen können mit ihrem Verstand und ohne Glauben begreifen, dass die Kirche eine sinnvolle und nützliche Einrichtung ist. Was ist das Ergebnis? Ein großes Durcheinander, Konkurrenz mit allen möglichen Religionen und sozialen Aktivitäten. Gott ist nicht länger ins Bild einbezogen. Aber so wie Israel ein kleines, schmächtiges Volk zwischen mächtigen Nachbarn wurde, so wird die Kirche eine schwache und nach menschlichen Maßstäben zwar klug geleitete Organisation, von allen Seiten eingeengt und bedroht. Das Bewusstsein, Gottes Werkzeug zu sein, ist verloren gegangen. Das Gefühl, dass die eigenen Mittel unzureichend sind, macht uns unsicher.

 

Nun gibt es einige Leute, die glauben, dass die Bibel das Mittel ist, dessen sich die Kirche bedienen muss. Da ist etwas Richtiges dran. Aber selbst die Bibel kann zu einem Mittel in den Händen der Christen werden, so dass sie die echte Dreierbeziehung Gott - Kirche - Menschheit stört und daraus eine Beziehung Kirche – Bibel - Menschheit wird. Die Stellung zur Bibel ist die, dass sie ein Teil der Kirche ist. Die Kirche ist überhaupt nicht Kirche ohne Gottes Wort. Das Wort Gottes ist die lebendige Verkündigung der Kirche. Diese Verkündigung beruht auf dem Alten und Neuen Testament und umfasst sie beide. Die Kirche hat im Neuen Testament ihre Norm und ihren Maßstab für jede Form christlicher Verkündigung, und das Neue Testament ist selbst Verkündigung. Die Kirche und das Wort Gottes sind so eng miteinander verknüpft, dass die Kirche dieses Wort als einen Teil ihrer selbst betrachten muss, ohne welches sie überhaupt nicht Kirche wäre. Man könnte es mit einem Gleichnis erklären: Eine Armee ist eine Gruppe von Männern, die für den Krieg bewaffnet sind. Die Waffen sind Teil dieser Armee. Eine Gruppe unbewaffneter Männer ist keine Armee. Ebenso wenig können wir die Bibel als ein Mittel betrachten, das wir anwenden könnten. Sie ist ein Teil der Kirche selbst, da die Bibel in die Verkündigung des Wortes eingeschlossen ist. Sie ist das Schwert in der Hand der Kirche. Dies Schwert wird von der Kirche geführt und erhält seine Wirksamkeit vom Heiligen Geist.

 

Warum wird die Aufgabe der Kirche als Gottes Werkzeug so stark betont? Ich möchte dies durch ein Beispiel erläutern. Die meisten Länder haben sogenannte Einsatztruppen. Sie bestehen aus alten, erfahrenen Soldaten, die den Schock eines Überraschungsangriffes ertragen können, ohne dass ihre Kampfdisziplin dadurch untergraben wird. Sie haben die besondere Aufgabe, den ersten Ansturm eines Feindes aufzufangen. Wenn nun diese Soldaten im Ernstfall sich weigern, selbst in den Kampf zu ziehen, und versuchen, andere Mittel zu finden, um den Eindringlingen Einhalt zu bieten, was würden wir von ihnen denken? Sie könnten ja versuchen, ihre Waffen dort aufzubauen, wo der Feind hinkommt, oder sie könnten versuchen, genügend Getreide in ihrem Land zu bekommen, um einen Tauschhandel mit dem Feind anzufangen. Stellen Sie sich vor, dass diese Truppen irgend etwas täten, aber nicht das, was sie eigentlich tun sollen, nämlich sich selbst in den Kampf zu werfen. Was käme dabei heraus? Sie würden die Invasion nicht aufhalten. Warum? Weil sie versagt haben. Sie haben versucht, andere Mittel zu finden, statt ihre Aufgabe zu lösen.

 

Wenn es darum geht, das Evangelium den Muslimen zu bringen, sind Sie selber Gottes Werkzeug. Sie sind der Soldat, der sich mit dem Schwert des Heiligen Geistes in den Kampf werfen muss. Für Sie gibt es keine Mittel oder Instrumente, weil Sie selber Gottes Mittel oder Instrument sind. Hendrik Kraemer hat dies das eherne Gesetz genannt. Sie selber sind der Kontaktpunkt, aber in der Hand Gottes. Es liegt zwar in der Natur der Menschen, sich selbst abzuschirmen und der Wucht eines Angriffs auszuweichen, um so einen leichteren Weg zu finden als den, den Gott will. Das Blut der Märtyrer ist gewiss der Same der Kirche. Aber wir neigen dazu, diese Aussage auf die Vergangenheit zu beziehen und nicht auf die Gegenwart.

 

Gibt es wirklich einen leichteren und sinnvolleren Weg als den Weg Gottes? Man hört immer wieder, dass die Hilfsdienste christlicher Organisationen dazu dienen können, Vorurteile und Fanatismus abzubauen. Nun ist eine Aussage nicht deswegen wahr, weil sie oft wiederholt worden ist. Der Gedanke läuft etwa auf das hinaus, was man im Krieg hören konnte, dass vor dem Sturm auf den Feind erst Aufweichungstaktiken angewandt werden müssen. Ist das im Reich Gottes auch möglich?

 

Die Kirche ist die Botschafterin Christi. Sie spricht mit Vollmacht und fordert die Menschen auf, sich mit Gott zu versöhnen. Sie ist die Trägerin des Lichtes, und deswegen stößt sie auf Widerstand. Das eindrucksvolle Bild der Märtyrer in der Offenbarung Johannes weist darauf hin, wie die Trägerin des Lichtes durch die Jahrhunderte hindurch an allen Orten ein Ärgernis für die Nichtchristen war. Wie sich dies Ärgernis äußert, hängt von der Kultur der Zeit ab. In einer abgeklärten, liberalen Kultur wird sich dies Ärgernis in einem Hochziehen der Augenbraue, in einem Achselzucken, einem überlegenen Lächeln ausdrücken. Hier draußen, wo die Menschen natürlicher und schneller erregt sind, ist die Verfolgung das natürliche Resultat des Ärgernisses, wenn man die Menschen daran nicht hindert. Die Botschafterin Christi ist ein Ärgernis. Sie wird verachtet und verfolgt. Das stimmt mit den Worten unseres Herrn überein: "In der Welt habt Ihr Angst. Sie haben mich gehasst, sie werden Euch auch hassen. Der Knecht ist nicht größer als sein Herr." Die Stellung der Kirche ist von Grund auf provozierender Natur. Der menschenfreundliche Helfer, auch der christliche, ist gewöhnlich ein sehr geachteter Mensch, der einen Ehrenplatz in der nichtchristlichen Gemeinschaft einnimmt, ganz gleichgültig, welche Religion in dieser Gemeinschaft vorherrscht. Wie ist das möglich geworden, dass der Knecht größer ist als sein Herr? Wie ist es dazu gekommen, dass sie den Herrn hassen, aber seinen Jünger ehren und achten? Das ist nicht deshalb der Fall, weil er der Überbringer des Lichtes ist. Im Gegenteil, er wird seiner Arbeit wegen geehrt - von einzelnen Menschen, von Lokalbehörden oder von Regierungen. Missionare, die nicht in philanthropischen Organisationen mitwirken, können übrigens auch Mittel und Wege finden, sich Anerkennung zu verschaffen, selbst wenn ihre Botschaft abgelehnt wird. Aber wird ein Missionar auf Grund seiner philanthropischen Arbeit und nicht auf Grund seiner Botschaft akzeptiert, dann ist das Ergebnis eine Verdrehung seiner eigentlichen Aufgaben und Ziele.

 

Kann denn ein Mensch, der immer wieder zu Hilfsmitteln greift, anstatt sich selbst in den Kampf zu werfen, seiner Botschaft wirklich Gehör verschaffen? Hat er die Zeit, zur Sache zu kommen? Herauszufinden, was der Muslim denkt?

 

Wie man die christliche Botschaft auf islamischer Wellenlänge dem Muslim vermitteln kann? So, dass dieser genötigt ist, sich wirklich mit der Botschaft auseinander zu setzen? Christus wirkte viele Wunder. Dennoch melden die Aufzeichnungen der Bibel, dass seine Botschaft, die er bei solchen Gelegenheiten verkündete, die Leute dermaßen verärgerte, dass sie gegen ihn murrten und sogar einmal Steine sammelten, um ihn zu steinigen. offenbar hat Christus es verstanden, seiner Botschaft Gehör zu verschaffen. Es wird immer wieder gesagt, dass Christus nicht aufhörte, gute Taten zu vollbringen, obwohl dadurch das Anliegen seiner Verkündigung für viele Menschen in den Hintergrund rückte und seine Herausforderung geschwächt wurde.

 

Hier wollen wir nur darauf hinweisen, dass das Wirken Christi von der Hochzeit zu Kana bis zu dem letzten Wunder vor der Kreuzigung ohne Beispiel ist und die humanitäre Philanthropie der heutigen Mission damit wenig zu tun hat. Jetzt versuchen wir, dasselbe Problem aus der Sicht eines Bekehrten zu betrachten: Der Prediger Christi ist innerhalb der nichtchristlichen Gemeinschaft zu einem angesehenen Mann geworden. Vorurteile, Fanatismus und Hass haben sich verflüchtigt. Er ist froh, dass er mithelfen konnte, dem Evangelium den Weg zu bereiten. Die Leute sind freundlich zu ihm. Nehmen wir jedoch an, dass ein Mitglied der nichtchristlichen Gemeinschaft seine Predigt ernst nimmt, sich zu Gott hingezogen fühlt, dies offen zugibt und sich zu Christus bekennt. Was geschieht? Genau dieselbe Gemeinschaft, die den einen verehrt, verfolgt den anderen. Offensichtlich sind Fanatismus, Intoleranz und Vorurteile nicht wirklich abgebaut worden, sondern nur zur Seite geschoben, so weit es sich um den Philanthropen handelte. Denn schließlich profitiert man ja von seiner Arbeit.

 

Als die Verfolgung unter den Mitgliedern der urchristlichen Gemeinde ausbrach, konnten der Apostel Paulus und andere sagen, dass sie die Spuren der Leiden Christi auf ihren Körpern trugen und dass sie deshalb mit den Neubekehrten im Leiden verbunden waren. Das war möglich, weil sie nicht versucht hatten, Mittel zu finden, um Vorurteile und Fanatismus abzubauen, sondern weil sie sich selber wie Stoßtruppsoldaten in den Kampf hineinwarfen und dem Angriff nicht auswichen. Derjenige aber, der versucht hat, mit allerlei Hilfsmitteln die Vorurteile niederzuwalzen, stellt letzten Endes fest, dass er sich von den Menschen, denen er helfen will, isoliert hat. Der Konvertit erlebt, dass dieselbe Gemeinde, die seinen geistlichen Vater ehrt, ihn boykottiert und verfolgt. Das ruft in ihm ein Gefühl der Bitterkeit hervor. Es führt zu einer Schwächung seines neu erlangten Glaubens. Manchmal widerruft er in seiner Vereinsamung diesen neuen Glauben. Sein geistlicher Vater ist dabei in dieser Zeit zu bedauern, weil er ihm nicht zu helfen weiß. Wahrscheinlich sind diese Ereignisse in der islamischen Welt deutlicher als in den anderen nichtchristlichen Gemeinschaften. Dies bedeutet nun nicht, dass Sie Verfolgung oder Tod suchen sollen. Im Gegenteil, nicht alle Soldaten, die in den Krieg ziehen, werden verwundet, und noch weniger fallen. Ich will damit vielmehr sagen, dass Sie als Soldat unseres Herrn, der im Kampf gegen die Mächte der Finsternis steht, einsehen müssen, dass in islamischen Ländern schon der Tatbestand der Verkündigung Sie allen möglichen Widerständen aussetzen kann.

 

Ein weiteres Beispiel: Es gibt Leute, die sind der Meinung, die Bibel könnte für sich selbst sprechen. Sie glauben, dem Muslim das Evangelium predigen zu können, wenn sie ihm ein paar Traktate mit Bibelstellen darauf in die Hand drücken, ohne dass eine weitere Verkündigung folgen muss. Diese Methode ist der Wahrheit fern, aber eng verwandt mit Aberglauben. Es ist in Wirklichkeit eine weitere Methode, durch die der Christ davor fliehen kann, sich selbst in den Kampf zu werfen. Nach Gottes Plan ist es allein die lebendige Kirche, die die Realität der Offenbarung in Christus bezeugt. Diese Kirche leitet ihre Aufgaben, ihre Lehre und die Norm ihrer Verkündigung von der Bibel ab. Aber das Schwert des Geistes muss sie selbst in die Hand nehmen. Nehmen Sie folgendes Beispiel:

 

Sie geben einem Muslim ein Traktat mit Johannes 3 Vers 16. Wie wird er diesen Vers verstehen? Allah war so gnädig, dass er den Propheten Jesus in die Welt sandte mit einem Buch. Und die Menschen, die dies Buch annahmen, sind die Ahl-iKitab und deshalb nicht für das Höllenfeuer bestimmt, sondern für die Freuden des Paradieses. Der Muslim kann drei verschiedene Reaktionen zeigen. Entweder macht er sich nicht einmal die Mühe, über das Traktat nachzudenken. Er wirft es fort oder nimmt es als Packpapier. Oder er reagiert fanatisch, weil Sie Gott die Liebe und Jesus seinen Sohn nennen. Für ihn ist das eine Blasphemie. Er wird Ihnen vielleicht lautstark mit der Sure 112 aus dem Koran antworten: "Sage, er ist Gott, der eine, ewige und absolute. Er zeugt nicht, wie er auch nicht gezeugt wurde, und es gibt niemand, der ihm gleich ist." Der Muslim kennt diese Sure sehr genau. Es kann aber auch sein, dass er zu dem mystischen Typ von Muslimen zählt. In diesem Fall missbilligt er zwar die Wahl Ihrer Worte. Er stellt dabei fest, dass das, was Sie auszudrücken versuchen, ungefähr dasselbe ist, was Mohammed sagt, mit dem Unterschied, dass der arabische Prophet es besser und klarer formulierte. Ganz gleich, welchen Typ von Muslim Sie mit Ihrem Traktat erreicht haben: Sie haben ihn leider nicht mit dem Evangelium erreicht, sondern lediglich mit einem Stück Papier. Im ersten Fall haben Sie seine Aufmerksamkeit nicht gefesselt, im zweiten haben Sie ihn fanatisch gemacht, im dritten haben Sie seine Überzeugung bekräftigt.

 

Zweifellos ist in Johannes 3 Vers 16 das Christentum wie in einer Nussschale enthalten. Aber es ist eine harte Nuss. Der Muslim kann sie ohne Hilfe nicht knacken. Erst wenn die lebendige Stimme der Kirche sein Ohr erreicht und wenn er vernimmt, dass 'Allah' und 'Gott der Vater' nicht gleich sind und dass Christus kein Prophet, sondern das ewige Wort Gottes in Menschengestalt ist, dass das Christentum nicht die Annahme eines Buches fordert, sondern den lebendigen Kontakt mit einer Person im Glauben, erst dann ist es gelungen, für den Heiligen Geist die notwendige Voraussetzung zur Erleuchtung des Muslim zu schaffen. Aber dazu müssen Sie genau Bescheid wissen, warum Jesus die Verkörperung des Wortes Gottes ist und nicht ein Prophet, warum Allah nicht Gott der Vater ist. Sie müssen also über das Christentum genau Bescheid wissen, nicht über das Christentum, wie es in Ihrem Hausgebrauch oder in ihrer Heimatgemeinde überkommen ist, sondern Über das universale, biblische Christentum. Ebenso brauchen Sie Kenntnisse nicht nur über den historischen Islam, sondern über die besondere Form von Islam, mit der Sie es zu tun haben.

 

Wenn Sie nun wirklich glauben, dass Sie Gottes Mittel sind, dann ändert sich Ihre Haltung dem Muslim gegenüber ganz erheblich. Dabei wird es zunächst einmal Ihr Wunsch sein, Sie selbst zu sein. Vorher haben Sie womöglich gehofft, mit dem Muslim in Kontakt zu kommen durch etwas, was Sie tun. Jetzt werden Sie einsehen, dass der Kontakt durch das, was Sie sind, zustande kommen muss. Das einzige, was Sie sind, ist ein Mensch unter Menschen. Ich muss zugeben, dass der Hintergrund der Religion, der Kultur, des nationalen Brauchtums sehr verschieden sein kann; darüber werden wir später sprechen. Ob Sie nun aber Pakistani, Engländer oder Europäer sind, seien Sie Sie selbst. Nur so sind Sie ein wirklicher Mensch unter anderen Menschen. Nur, wenn Sie Sie selbst sind, können Sie anderen Menschen uneingeschränkt einräumen, dass sie auch sie selbst sind. Die elementare Tatsache, dass wir alle Menschen sind, ist tiefer und weitgreifender als Religion, Kultur oder nationale Bräuche. Wenn Sie aus irgendeinem Grund bewusst oder unbewusst auf die Leute herabschauen, mit denen Sie zu tun haben, dann fehlt Ihnen die fundamentalste Befähigung, als Gottes Mittel gebraucht zu werden. Sie sollen nicht versuchen, jeden Menschen, mit dem Sie zusammenkommen, als Kumpel zu behandeln und ihm auf die Schulter zu klopfen. Sie respektieren das Kind als Menschen, wenn sie es als Kind ernstnehmen. Eine hochmütige Herablassung durchschaut ein Kind bald. Das gilt für Erwachsene auch. Die herablassende Haltung von Amerikanern und Europäern wurzelt gewöhnlich in einem Gefühl kultureller und technischer Überlegenheit. Die Herablassung in der Haltung eines christlichen Pakistani kann aus dem Gefühl religiöser Überlegenheit entspringen, weil er die wahre Religion angenommen hat.

 

Nun hat der Muslim, soweit seine Religion beteiligt ist, ein starkes Überlegenheitsgefühl. Es ist ein Rätsel für jeden Nichtmuslim, woher diese Überlegenheit kommt. Sie ist aber vorhanden. Wenn Sie ihm nun als Christ mit einer Haltung der Überlegenheit entgegentreten, dann führt das zu nichts. Wenn zwei Überlegenheitskomplexe aufeinandertreffen, kann das Resultat nicht ergiebig sein. Wenn Sie dann noch versuchen, besondere Hilfsmittel anzuwenden, dann züchtet allein schon diese Taktik einen Überlegenheitskomplex in Ihnen. "Unser Buch ist besser als Eures; unsere ärztliche Betreuung ist besser, kommt deshalb in unser Krankenhaus. Unser Erziehungssystem ist besser, besucht deshalb unsere Schulen." Das kann sogar im Einzelfall wahr sein. Solange der muslimische Pakistani weiß, dass er ebenso gut ohne diese Hilfe auskommt, wird sein aufgestauter Ärger ausbrechen. Das ist bereits geschehen im Bereich der Politik und des Militärs, es entwickelt sich auf den übrigen Sektoren. Es wird auch auf dem Feld der Erziehung zu spüren sein. Das ist eine natürliche Reaktion, mit der man rechnen muss. Wenn Ihnen jedoch ganz klar ist, dass Sie keine Mittel anzuwenden haben, sondern dass Sie selber Gottes Instrument sind, kann gar kein Überlegenheitsgefühl entstehen. Es gibt dann gar nichts, was als Ursache eines Vergleichs brauchbar wäre, der Ihre Überlegenheit beweisen kann. Als Gottes Werkzeug haben Sie keinen Besitz. Es ist nicht Ihr Unternehmen, das auf dem Spiel steht. Ihre Überlegenheit auf dem Gebiet von Bildung und Technik bedeuten hier nichts. Jeder Schritt, den Sie unternehmen, wird ja erst wirksam, wenn der Heilige Geist ihn wirksam macht. Deshalb können Sie ganz beruhigt und vernünftig Sie selbst sein und alle anderen Menschen auch sie selbst sein lassen. Zuletzt möchte ich noch bemerken: Wenn Sie Gottes Werkzeug sind, steht für Sie gar nichts weiter auf dem Spiel. Nichts außer Ihrer eigenen Treue im Dienst. Das eigentliche Subjekt ist Gott. Wenn irgendetwas wichtig ist, dann ist er es. Es steht in seiner Macht, einen Leuchter aus einem Land zu entfernen oder auch nicht. Er kann die Türen verschließen oder öffnen. All das wird von Gott beschlossen. Wenn er in Pakistan den Leuchter fortnimmt oder die Tür in Pakistan zuschlägt, können Sie dagegen nichts unternehmen. Sie können seine Handlung nicht verzögern oder etwas daran ändern. Ihre einzige Sorge muss sein, Gottes Mittel zu sein, Ihre Botschaft zu übermitteln, ohne diese dabei zu kompromittieren oder mit anderen Dingen zu vermischen, sie so zu verkündigen, dass der Muslim gezwungen ist, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Ist das Resultat Verfolgung - die Propheten wurden vor Ihnen verfolgt. Ist das Resultat eine verschlossene Tür, dann wurde sie von Gott verschlossen. Werden Sie hinausgeworfen, dann hat Gott den Leuchter dieses Volkes entfernt.

 

Andererseits, wenn Sie das eigentliche Subjekt sind, dann stehen für Sie viele Dinge auf dem Spiel: Gebäude, Institutionen, Programme, die Existenz von christlichen Gruppen, Pläne für große Kampagnen, Kapital, Prestige und noch vieles andere mehr. Dann haben Sie Sorgen, Angst und Furcht. Sie sind in Versuchung, Kompromisse zu schließen, Diplomatie anzuwenden und die Dinge zu verquicken, die Wahrheit durch Leisetreterei abzuschwächen. Wenn Sie in der Kirchen- und Missionsgeschichte zwischen den Zeilen lesen können, werden Sie merken, dass es solche Zustände in jeder Epoche gegeben hat. Gott muss uns demütigen und lehren, dass er der Handelnde, das Subjekt, ist und dass er die Kirche als Instrument geschaffen hat zur Verwirklichung des Zieles, dass das Evangelium bis an das Ende der Erde, bis zum Jüngsten Tag verkündigt wird.