20.1 Die vertragsgemäße Wallfahrt (März 629 n.Chr.)

Nach der Rückkehr von Khaybar blieb Muhammad die beiden Monate Rabi'a (3. und 4. Monat) und Djumada (5. und 6. Monat) und die vier folgenden in Medina und ordnete in dieser Zeit mehrere Streifzüge an. Im Dhu al-Qa'da (11. Monat), in dem Monat, in welchem ihm die Ungläubigen früher nicht gestattet hatten, nach Mekka zu reisen, unternahm er die vertragsgemäße Wallfahrt. Über Medina setzte er Uwaif ibn al-Adbat al-Dili. Sie wird auch “Vergeltungswallfahrt” genannt, weil Muhammad in diesem heiligen Monat durch seine Wallfahrt vergalt, was ihm im vorhergehenden Jahr nicht gestattet worden war. Die Moslems, denen früher die Wallfahrt mit ihm untersagt blieb, schlossen sich ihm an, und die Bewohner Mekkas verließen die Stadt, als sie von seinem Anmarsch vernahmen. Die Quraisch sagten untereinander: “Muhammad und seine Gefährten werden in Not, Mangel und Bedrängnis geraten.”

Viele Mekkaner stellten sich vor dem Rathaus in Reih' und Glied auf, um beobachten zu können, was Muhammad und seine Gefährten tun würden. Als Muhammad das Heiligtum betrat, warf er seinen Mantel auf die linke Schulter, und sein rechter Arm wurde dadurch sichtbar. Er sagte: “Allah sei dem Manne gnädig, den er ihnen heute in seiner Stärke zeigt!” Er umfaßte dann den Pfeiler und ging hüpfend heraus. Seine Gefährten sprangen ihm nach, bis ihn die Ka'ba vor ihnen verbarg. Dann umfaßte er den Pfeiler nach Jemen hin und hernach den schwarzen Stein. Auf diese Weise machte er dreimal springend die Runde und ging nachher wieder langsam. Die Leute glaubten, sie hätten dieses Verhalten nicht zu befolgen. Muhammad habe sich nur wegen der Quraisch so benommen, wegen alledem, was er von ihnen gehört hatte. Als Muhammad sich jedoch bei der Abschieds-Pilgerfahrt genauso verhielt, wurde es heiliger Brauch, dessen Praxis von jedem Moslem erwartet wird.1

20.2 Muhammads Einzug in Mekka bei seiner Wallfahrt (März 629 n.Chr.)

Als Muhammad bei dieser Wallfahrt seinen Einzug in die Stadt hielt, führte Abd Allah ibn Rawaha sein Kamel und sprach dabei folgende Verse:

Geht ihm aus dem Weg,
ihr Söhne der Ungläubigen!
Macht Platz! Alles Gute haftet an dem Gesandten.
O Allah! Ich glaube seine Worte.
Ich erkenne göttliche Wahrheit an seinem Wesen.
Wir bekämpfen euch wegen der Deutung des Qur’ans
nicht minder als wegen der Offenbarung selbst, mit Hieben,
welche die Häupter von ihrem Ruheplatz verscheuchen
und den Freund seinen Freund vergessen machen.

Die letzte Hälfte hat 'Ammar ibn Yasir an einem andern Tage gedichtet. Der Beweis dafür, daß Abd Allah die Ungläubigen meinte, ist der, daß sie nicht an die Offenbarung glaubten. Nur wer an sie glaubt, kann wegen ihrer Deutung bekämpft werden.

20.3 Muhammads Vermählung mit Maimuna in Mekka (März 629 n.Chr.)

Muhammad hat auf dieser Reise, also noch im Pilgerstand, Maimuna, die Tochter Hariths, geheiratet. Al-'Abbas hat sie mit ihm verheiratet. Sie hatte ihre Schwester Umm al-Fadl als Vormund angenommen. Diese hatte die Vormundschaft al-'Abbas überlassen, der sie Muhammad zur Frau gab und ihr an seiner Statt 400 Dirham als Morgengabe überreichte.2

20.4 Muhammads Abreise aus Mekka und Rückreise nach Medina (März und April 629 n.Chr.)

Muhammad verweilte drei Tage in Mekka. Dann kam Huwaitib ibn Abd al-'Uzza mit einer Anzahl Quraischiten, um ihn in ihrem Namen zum Abzug zu mahnen. Sie sagten zu ihm: “Deine Zeit ist abgelaufen. Verlasse uns jetzt!” Muhammad antwortete: “Was schadet es euch, wenn ihr mich meine Vermählung noch in eurer Mitte feiern laßt, und ich ein Mahl bereite, dem ihr beiwohnen könnt?” Sie antworteten: “Wir brauchen dein Mahl nicht, entferne dich!” Muhammad zog ab. Er ließ seinen Freigelassenen Abu Raafi' bei Maimuna zurück, der sie ihm nachbrachte, als er in Sarif war, wo er die Ehe mit ihr vollzog. Im Dhu al-Hidjdja (12. Monat) kam Muhammad nach Medina zurück.

20.5 Der Feldzug nach Mu'ta3: der erste Feldzug gegen die christlichen Oströmer (September 629)

Muhammad brachte den übrigen Teil von Dhu al-Hidjdja (12. Monat) in Medina zu und überließ die Pilgerfahrt den Ungläubigen. Dann verbrachte er auch noch die Monate Muharram (1. Monat), Safar (2. Monat) und die beiden Rabi'a in Medina. Im Djumada al-Ula (5. Monat) fand die Sendung (Feldzug) nach Syrien statt, welche die Niederlage bei Mu'ta zur Folge hatte.

Die Sendung nach Mu'ta fand im Djumada al-Ula (5. Monat) des achten Jahres nach der Auswanderung statt. Muhammad ernannte Zaid ibn Haritha zum Anführer und sagte: “Wenn Zaid getötet wird, so sei Dja'far, der Sohn Abu Talibs, sein Nachfolger. Fällt auch dieser, so trete Abd Allah ibn Rawaha an seine Stelle.” Die Truppen, 3000 Mann stark, trafen ihre Vorbereitungen. Als sie ausgerüstet und marschfertig waren, verabschiedeten sich die Zurückbleibenden von ihnen. Als sie sich auch von Abd Allah ibn Rawaha wie von den anderen Häuptern verabschieden wollten, weinte er. Als man ihn nach der Ursache fragte, antwortete er: “Bei Allah, ich hänge nicht an dieser Welt. Auch weine ich nicht aus Liebe zu euch. Ich habe jedoch gehört, wie Muhammad einen Qur’anvers rezitierte, in dem von der Hölle die Rede ist.” Er lautet: “Ein jeder von euch (Moslems) wird in sie hineinkommen! Dies ist eine unausweichliche Bestimmung, die dein Herr durchführen muß” (Sure Maryam 19,71). “Ich weiß aber nicht, wie ich wieder herauskomme, wenn ich einmal darin bin.”4 Die zurückbleibenden Gläubigen sagten: “Allah sei mit euch! Er beschütze euch und bringe euch in Frömmigkeit wieder zu uns!”

Abd Allah dichtete hierauf:

Doch ich, ich flehe Allah an um seine Gnade,
und um Hiebe, die dem Feinde ein Ende machen
und schäumendes Blut hervorspritzen lassen,
oder um Stiche von freien Händen,
gegen den Feind gerichtet,
mit einer Lanze, die Leber und Eingeweide durchbohrt,
so daß dem, der einst an meinem Grabe vorübergeht,
gesagt werden soll: “Allah hat ihn auf den rechten Weg
als Krieger geleitet, und er wandelte darauf.”

Als die Truppen nach Ma'an5 in Syrien kamen, vernahmen sie, Heraklius lagere mit 100.000 Griechen in Ma'ab in der Provinz Balqa'6. Ihnen hätten sich noch 100.000 Beduinen von Lakhm, Djudham al-Qayn, Bahra' und Baliyy angeschlossen.7 Sie ständen unter dem Befehl eines Mannes von Baliyy, vom Zweige Irascha, der Malik ibn Zaafila heiße. Die Moslems blieben zwei Tage in Ma'an, um zu überlegen, was sie tun sollten. Schließlich sagten sie: “Wir wollen Muhammad benachrichtigen. Er soll uns entweder Verstärkung schicken oder sonst einen Befehl erteilen, den wir ausführen sollen.” Abd Allah ermutigte aber die Leute und sagte: “Was ihr fürchtet, habt ihr ja gesucht, nämlich den Märtyrertod. Wir bekämpfen ja den Feind nicht mit unserer Zahl und Stärke, sondern mit dem Glauben, mit dem uns Allah geehrt hat. Darum zieht weiter! Es erwartet uns einer von zwei Glücksfällen: Entweder der Sieg oder der Märtyrertod.” Daraufhin zog man weiter.

20.6 Der Zusammenstoß mit den christlichen Oströmern in Mu'ta (September 629 n.Chr.)

Als die Truppen an die Grenze von Balqa' kamen, traten ihnen in dem Ort Maschaarif die Scharen des Heraklius entgegen. Die Moslems zogen sich, als der Feind näher kam, bis Mu'ta8 zurück. Dort kam es zum Kampf. Die Moslems stellten sich in Schlachtordnung auf. Ihre Rechte befehligte Qutba ibn Qatada, von den Banu 'Udhra, ihre Linke 'Ubaaya ibn Malik, ein Hilfsgenosse. Zaid ibn Haritha9 trug während der Schlacht das Banner des Propheten, bis er den feindlichen Lanzen erlag. Dann ergriff es Dja'far, und als der Kampf immer heißer wurde, sprang er von seiner braunen Stute herunter, lähmte sie und kämpfte, bis er erschlagen wurde. Dja'far war der erste Moslem, der sein Pferd lähmte.

Ein zuverlässiger Gelehrter hat mir berichtet: “Dja'far nahm zuerst das Banner in die rechte Hand. Als sie ihm abgehauen wurde, trug er es in der linken. Als auch diese abgehauen worden war, hielt er es mit beiden Armen fest, bis er erschlagen wurde. Dja'far war erst 33 Jahre alt, und Allah gab ihm dafür zwei Flügel, mit denen er im Paradies nach Lust umherfliegt. Es wird behauptet, ein Grieche habe ihn mit einem Hieb in zwei Hälften gehauen.”

Als Dja'far getötet worden war, ergriff Abd Allah ibn Rawaha das Banner sowie das Schwert, trat vor und kämpfte, bis er (ebenfalls) getötet wurde. Thabit ibn Aqram nahm das Banner und forderte die Truppen auf, einen Führer zu wählen. Man wählte ihn, aber er nahm die Wahl nicht an, worauf man Khalid ibn al-Walid wählte. Dieser ergriff das Banner, wehrte den Feind ab und schonte die Seinigen, indem er sich zurückzog. Der Feind entfernte sich ebenfalls, so daß er das Heer heimführen konnte.

20.7 Muhammad verkündet die Niederlage

Nach der Niederlage rief Muhammad: “Zaid hat das Banner getragen und gekämpft, bis er erschlagen wurde. Dann trug es Dja'far, bis er ebenfalls als Märtyrer starb.” Nun schwieg Muhammad, so daß sich die Gesichter der Hilfsgenossen entstellten, weil sie fürchteten, über Abd Allah etwas Unangenehmes zu hören. Muhammad fuhr aber bald fort: “Hierauf faßte Abd Allah das Banner und kämpfte, bis auch er als Märtyrer starb. Ich habe sie,” setzte er hinzu, “wie im Traume gesehen, als sie im Paradiese auf goldenen Thronen vor mir in die Höhe gehoben wurden. Ich habe auch bemerkt, daß der Thron Abd Allahs etwas hinter den beiden anderen zurückstand, und als ich nach der Ursache fragte, wurde mir gesagt, weil jene sogleich in den Tod gingen, Abd Allah aber erst nach einigem Zaudern.” Als der Tod Dja'fars ausgerufen wurde, sah Muhammad sehr traurig aus. Da trat ein Mann zu ihm und sagte: “O Gesandter Allahs! Die Frauen machen uns schwach mit ihrem Wehklagen und verführen uns.” Muhammad erwiderte: “Geh zu ihnen und heiße sie schweigen.” Der Mann kam bald wieder, sagte dasselbe und setzte hinzu, sie sagen, dieser Zwang könnte ihnen schaden. Muhammad erwiderte: “Geh nochmals hin und befehle ihnen zu schweigen. Tun sie es nicht, so streue Erde (Sand) in ihren Mund.10

20.8 Der Einzug der geschlagenen Truppe in Medina

Khalid befand sich mit seinem Kämpfern auf dem Rückweg nach Medina. Als sie in die Nähe von Medina kamen, ging ihnen Muhammad mit anderen Moslems entgegen. Die Kinder liefen voraus. Muhammad folgte mit den anderen auf einem Maultier. Muhammad befahl: “Nehmt die Kinder zu euch und gebt mir den Sohn Dja'fars!” Man brachte ihm Abd Allah ibn Dja'far, und er trug ihn vor sich her. Die Leute warfen mit Erde auf die Truppen und schrien: “O ihr Geflohenen! Ihr habt auf dem Pfade Allahs die Flucht ergriffen!” Muhammad entgegnete: “Sie sind keine Geflohenen! Sie werden, so Allah will, den Angriff wiederholen.11


Footnotes

1 Muhammad nahm Grundbestandteile des animistischen Ka'bakultes in den Islam auf. Wahrscheinlich hatte er mit den Abgeordneten der Quraischiten in den Verhandlungen von Hudaibiyya diesen Kompromiß ausgehandelt, um die Mekkaner auf friedliche Weise für den Islam zu gewinnen. Er wollte ihnen die Ehre des Kultzentrums und ihre wichtigste Einnahmequelle erhalten. Der Wahrheit seiner Religion und der Einheit Allahs tat das in seinen Augen keinen Abbruch. Sein Hauptziel, die Machtergreifung auch in Mekka, hatte er erreicht – auch wenn es auf Kosten der Wahrheit ging!

2 Die Pilgerfahrt hatte bei Muhammad nichts mit Enthaltsamkeit zu tun, sondern mit Machtausweitung. Er wollte seinen animistischen Onkel 'Abbas in den Islam hineinziehen und vermehrt an sich binden.

3 "Mu'ta" ist ein Dorf, etwas südlich der christlichen Stadt Busra, die ca. 980 km nordwestlich von Medina und ca. 45 km südöstlich des Sees Genezareth im Westjordanland liegt.

4 Muhammad hat seinen Anhängern mit der Hölle gedroht und möglicherweise im Zorn gesagt: “Ihr alle kommt in sie hinein!” Er fügte später hinzu, daß Allah diejenigen, die ihre religiösen Pflichten genau erfüllen, Gutes tun, im Heiligen Krieg kämpfen und bereit sind als Märtyrer fallen, wieder daraus befreie.

Was für eine Religion! Der Qur’an konstatiert grundsätzlich, daß alle Moslems in die Hölle kommen. Diese Aussage stammt nicht von den Gegnern des Islam, sondern ist eine juristische Konsequenz aus dem islamischen Gesetz. Kein Moslem erfüllt alle Forderungen der Schari’a vollkommen. Deshalb erwartet jeden Moslem unausweichlich die Verurteilung. Alle Moslems kommen in die Hölle. Sie kommen alle in die Hölle! Dieser Vers ist eine der grauenvollsten Offenbarungen des Qur’ans. Jedermann sollte erschüttert begreifen, was hier ausgesagt ist.

Jesus hat eine andere Botschaft gebracht. Er offenbarte: “Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes” (Johannes 3,16-18). Jesus bezeugt diese Tatsache wiederholt: “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch. Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen” (Johannes 5,24).

5 "Ma'an", ein Ort im Süden des heutigen Jordanien, liegt ca. 770 km nordwestlich von Medina.

6 "Balqa'" ist eine Region östlich des Toten Meeres im Transjordanland, das, biblisch betrachtet, den nördlichen Teil Edoms und ganz Moab umfaßt.

7 Die genannten Zahlen dürften stark übertrieben sein. Streicht man einige Nullen, so könnten sie der Realität eher entsprechen.

8 "Mu'ta" liegt ca. 980 km nordwestlich von Medina und ca. 45 km südöstlich des Sees Genezareth im Westjordanland.

9 Zaid ibn Haritha war ein Freigelassener Muhammads, den er an Sohnes statt angenommen hatte. Er war einer der ersten Muslime (siehe 5.5). Muhammad begehrte die Ehefrau seines Adoptivsohnes Zaid und hat sie schließlich zu seiner eigenen Frau gemacht (siehe 26.2).

10 Der Apostel Paulus sagt: “Weinet mit den Weinenden” (Römer 12,15). Welch eine Brutalität von Muhammad, zu befehlen, den Trauernden Sand in den Mund zu stopfen, daß sie stille würden! Das Weinen kann auch mit der Absicht unterdrückt worden sein, daß die Trauer sich in Haß und Wut verwandle und zu einem neuen Rachefeldzug dränge.

11 Die totale Niederlage der Moslems bei Mu'ta sollte sie zur Blutrache zwingen und zur späteren Eroberung Syriens und Ägyptens antreiben.