Brief 7

Lieber Abdullah,

Hab wieder mal vielen Dank für Deine Zeilen! Wie schön, daß wir unser Gespräch mit so viel Eifer weiterführen können, obwohl ja weitgehend Themen angesprochen wurden, bei denen die Gefahr besteht, sich hinter seiner eigenen Position zu verschanzen, was letztlich nur zu oberflächlichen und albernen Argumenten führen muß. Du hast ja selbst erwähnt, daß man den Dingen auf den Grund gehen muß, und da stimme ich völlig mit Dir überein.

Nun schreibst Du, und dahinter liegt wohl ein kleiner Vorwurf, daß wir Christen uns zu viel mit Sünde und Schuld befassen. Du erwähnst sogar das Wort Manie, um das auszudrücken. Ich denke, um diesem Thema gerecht zu werden, bedarf es zunächst einer Analyse, oder vielleicht besser Diagnose, dieses Begriffs.

Was meinen wir, wenn wir von Sünde, von dem Bösen, reden? Die islamische Theologie ordnet sie nach großen, mittleren oder leichten Übertretungen. Du kennst sie ja: kufr, schirk, ithm, dhanb, oder khatia. Ich las mal eine Liste mit 17 Unterteilungen. Es geht weitgehend um Mißachtung oder Übertretung von Vorschriften. Wie Du ja gut weißt, geht es da um Beten, Essen, Fasten, körperliche Reinigung, den Umgang mit Menschen, Geschäften und viel, viel mehr.

Man geht nun davon aus, daß es ungerecht wäre, wenn jemand die gleiche Strafe erwartet, etwa für das Auslassen einer Gebetszeit oder wenn man Gott einen Partner zuordnet (schirk), oder gar vom Glauben abfällt (kufr). Das ist durchaus menschlich verständlich. Aber Sünde ist eher so wie eine Arte rote Karte, die beim Fußballspiel gebraucht wird. Damit wird ein Spieler, der gegen die Regeln gespielt hat, vom Feld verwiesen. Er ist draußen! Schluß! Der (Schieds)Richter bestimmt das. Wir Menschen haben da vielleicht manchmal einen anderen Sinn für Gerechtigkeit. Wir fragen, warum der Mann nicht eine Chance haben sollte, das wieder gutzumachen. Das war doch gar nicht so schlimm.

Die Bibel dagegen stellt Gott als den Heiligen, den Reinen und Gerechten dar, wie es ja auch der Koran tut. Darum wird in der Bibel auch all unser Denken und Verhalten, sprich unser Sein, an Gott gemessen. Er selbst, sein Wesen, ist der Maßstab. Und wer könnte da vor Ihm bestehen? Gute Werke tun, das ist das Normale. Darin liegt kein Verdienst. Wir mögen denken, daß wir ja nur hier oder dort gegen eins von Gottes Geboten verstoßen haben. Die Bibel belehrt uns eines anderen:

Eure Schuld - sie steht wie eine Mauer zwischen euch und eurem Gott! Eure Sünden verdecken ihn, darum hört er euch nicht. (Jesaiah 59:2).

Es hilft auch nichts, wenn ihr alle anderen Gebote Gottes genau einhaltet. Wer nämlich auch nur gegen ein einziges seiner Gebote verstößt, der hat das ganze Gesetz übertreten. (Jak. 2:10).

Also steht fest: Nicht wegen meiner guten Taten werde ich von meiner Schuld freigesprochen, sondern erst, wenn ich mein Vertrauen allein auf Jesus Christus setze. (Römer 3:20).

Gott sagt uns klar und deutlich, daß jegliche Sünde uns von Ihm trennt, nicht nur eine schwere Schuld. Es ist mit Sicherheit auch falsch anzunehmen, daß man, nachdem jemand seine Strafe für Missetaten, eventuell auch in der Hölle, abgebüßt hat, doch noch durch die Hintertür in den Himmel kommen kann. Dem stimmen weder der Koran, noch die Bibel zu. Wer in Ewigkeit in der Herrlichkeit bei Gott sein will und das wollen wir ja alle dessen Wesen darf nicht dem von Gott widersprechen. Aber wir haben nun mal von Natur aus einen Hang, das zu tun und damit das zu sein - was Gottes Wesen fremd ist. Wir brauchen nicht zu lernen, neidisch zu sein. Wir sind es! Ebenso neigen wir zur Lüge, wenn wir uns davon einen Vorteil versprechen. Wir stufen uns als besser ein als andere, und neigen dazu, unseren Willen anderen Menschen gegenüber durchsetzen zu wollen.Wir könnten hier eine lange Liste des Bösen in uns aufstellen. Und das, obwohl wir vielleicht sogar sehr ensthaft versuchen, Gottes Willen zu tun.

Wie wir empfinden drückt die Bibel ganz realistisch aus:

Das Gesetz ist von Gottes Geist bestimmt. Das wissen wir genau. Ich aber bin nur ein Mensch und der Herrschaft der Sünde ausgeliefert.

Ich verstehe ja selber nicht, was ich tue. Das Gute, das ich mir vornehme, tue ich nicht; aber was ich verabscheue, das tue ich..

Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Gottes Gesetz zu erfüllen.

Dennoch handle ich nach einem anderen Gesetz, das in mir wohnt. Dieses Gesetz kämpft gegen das, was ich innerlich als richtig erkannt habe, und macht mich zu seinem Gefangenen. Es ist das Gesetz der Sünde, das mein Handeln bestimmt. (Röm. 7:14-24).

Die menschliche Selbstsucht kämpft gegen den Geist Gottes, und der Geist Gottes gegen die menschliche Selbstsucht; die beiden liegen im Streit miteinander, so daß ihr das Gute nicht tun könnt, das ihr doch eigentlich wollt. (Gal. 5:17 Die Gute Nachricht Übers).

Gottes Gebote sind uns aber nicht nur eine Richtschnur, sondern auch ein Spiegel in dem wir unsere Unzulänglichkeit erkennen können und sollen. Die Bibel sagt uns auch, was unser Tun bei Gott bewirkt:

Der Herr sah, daß die Bosheit der Menschen auf der Erde groß war und alles Denken und Trachten ihres Herzens immer nur böse war und es bekümmerte ihn in seinem Herzen (1. Mose 6:5 an Lutherübers. angelehnt)

Sünde ist zuhause in unserer Gedankenwelt. Sie wird immer wieder zur Tat, weil wir zu allererst unsere eigenen Belange vor Augen haben. Man kann das die Ursünde der Menschheit nennen. Wir müssen hier etwas Wesentliches begreifen: Wir sind nicht böse, weil wir sündigen, sondern wir sündigen, weil wir von Natur aus, unserem Wesen nach, Sünder sind. Unser Tun ist die Auswirkung unseres Wesens, unseres Seins. Eben dadurch sind wir Gott entfremdet. Aber er will das nicht. Es bekümmert ihn zutiefst, wie wir gerade festgestellt haben.

Wie Gott uns nun eine Sehnsucht zu Ihm hin ins Herz gelegt hat, so hat Satan den Hang zur Sünde in uns hineingepflanzt. Und wir müssen ständig wählen. Wenn wir der Sünde stattgeben, trennen wir uns von Gott. Aber wir haben immer die Möglichkeit, die Wahl, zu Ihm zurückzukehren, indem wir das Angebot einer Begnadigung annehmen.

Etwas Sprachkunde ist hier hilfreich. Ein Wort, das in der Bibel mit Sünde übersetzt ist, heißt im hebräischen bzw. griechischen Urtext Zielverfehlung. Gott hat ein Ziel mit und für uns. Weil er uns liebt, will er, daß wir in ungetrübter, inniger Verbindung mit Ihm leben. Und das können wir von Natur aus nicht. Wir sind eben immer wieder offen für die Einflüsse Satans in unserem Leben. Es ist auch egal, ob wir das Ziel um einen Zentimeter oder 50km verfehlen. Daneben ist daneben.

Das Gegenteil von Sünde ist Heiligkeit, und das ist allein Gottes Attribut. Und nun sagt Gott zu uns, wie ja schon im ersten Brief kurz angeführt:

"Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig." (1.Petrus 1:15-16), und "Setzt alles daran, mit jedem Menschen Frieden zu haben und mit eurem ganzen Leben Gott zu gehören. Sonst werdet ihr den Herrn niemals sehen." (Hebr.12:14).

Heilig sein - was bedeutet so etwas nun praktisch? Zunächst wohl nicht, was man vielleicht fälschlicherweise darunter versteht, so eine Mischung von Fanatismus, Asketentum, Einfältigkeit und Weltfremdheit. Gemeint aber ist göttliche Vollkommenheit.

Heiligkeit hat nichts zu tun mit Äußerlichkeiten in irgendeiner Form. Man kann sie nicht selbst produzieren, sondern nur von Gott geschenkt erhalten. Er bietet sie uns an. Sie ist an Vergebung gebunden. Wir können sie von Jesus erbitten, weil er es war, der die Strafe für unsere Schuld erlitt und somit auch die Begnadigung bewirkt. Bei dem, der dieses Angebot annimmt, ist das Gericht schon vollzogen, das Urteil vollstreckt, die Strafe ausgeführt. Das ist Versöhnung mit Gott. Er sagt:

"Ich vergebe ihnen ihre Schuld und denke nicht mehr an ihre Sünden. Mein Wort gilt! (Jeremiah 31:34)."

Der Herr wirft unsere Sünden ins tiefste Meer. (Micha 7:19).

So fern, wie der Osten vom Westen liegt, so weit wirft Gott unsere Schuld von uns fort!

(Psalm 103:12).

Wer an diesem Angebot vorbeigeht, den erwartet dann das Urteil über seine Schuld am Tage des Gerichts.

Nun wirst Du jetzt auch verstehen, warum die Sünde für uns so gräßlich ist, aber auch, warum wir uns so an Jesus halten. Er ist unsere einzige Chance, wie er selber sagte:

"Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben! Ohne mich kann niemand zum Vater kommen." (Joh. 14:6).

Wir glauben das, weil Gott es durch die in Jesus erfüllten Vorhersagen des Alten Testaments offenkundig gemacht hat, daß dies die Wahrheit ist.

Es geht eben nicht um eine Verbesserung des Menschen, sondern seine Erneuerung.

Passt euch nicht dieser Welt an, sondern ändert euch, indem ihr euch von Gott völlig neu ausrichten lasst. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt. (Röm. 12:2).

Jesus nennt das eine neue Geburt:

Wer nicht neu geboren wird, kann nicht in Gottes neue Welt kommen.

Ein Mensch kann immer nur menschliches Leben zur Welt bringen. Wer aber durch Gottes Geist geboren wird, bekommt neues Leben.

Wundere dich deshalb nicht, wenn ich dir gesagt habe: Ihr müsst neu geboren werden.

(Joh. 3:3, 6-7).

So, wie Du und ich einst in unsere Familien hineingeboren wurden, so sollen und können wir auch geistlich in Gottes Familie hineingeboren werden und dann beginnt ein anderes, ein neues Leben.

Gehört jemand zu Christus, dann ist er ein neuer Mensch. Was vorher war, ist vergangen, etwas Neues hat begonnen. All dies verdanken wir Gott, der durch Christus mit uns Frieden geschlossen hat. Er hat uns beauftragt, diese Botschaft überall zu verkünden.

Denn Gott ist durch Christus selbst in diese Welt gekommen und hat Frieden mit ihr geschlossen, indem er den Menschen ihre Sünden nicht länger anrechnet. Gott hat uns dazu bestimmt, diese Botschaft der Versöhnung in der ganzen Welt zu verbreiten.

Als Botschafter Christi fordern wir euch deshalb im Namen Gottes auf: Lasst euch mit Gott versöhnen! Wir bitten euch darum im Auftrag Christi. (2. Kor. 5:17-21)

Dieses neue Leben beginnt damit, daß unsere Schuld vergeben wird. Das ist der Neuanfang. Gott verspricht uns, daß er dann durch seinen Heiligen Geist in uns wohnen wird. Damit sind auch wir heilig, gereinigt und können nun in inniger Gemeinschaft mit Gott leben. Nichts beruht auf Verdienst. Es ist ein Geschenk Gottes. Und er bietet es allen Menschen an. Auch Dir, dem Muslim.

 

Und nun wünsche ich Dir von Herzen Gottes Frieden!

 

As-Salamallay-kum!

Dein

Theophilus

 

P.S. In meinem nächsten Brief werde ich Dir eine Geschichte abschreiben, die dieses Thema etwas illustriert.